Lüneburg und Umgebung

Erster Mordversuch von Kurt-Werner Wichmann

An einem kalten Morgen im Januar 1964 begann die unheimliche Serie der Verbrechen des 14-jährigen Kurt-Werner Wichmann. Er würgte die Untermieterin seiner Eltern, dieser Mordversuch markierte den Beginn einer Mordserie, die über ein Vierteljahrhundert andauern sollte. Sein erstes Opfer Bärbel Jaschik erinnerte sich: „Wenn ich daran denke, spüre ich noch immer diese fleischigen Hände an meinem Hals.“

Kurt-Werner Wichmann war damals 14 Jahre alt, als er erstmals zum Mörder zu werden suchte. Im Haus Am Streitmoor 15 in Lüneburg, in dem Familie Wichmann lebte, bedroht er die Untermieterin mit einem Messer und versucht sie zu erwürgen. Nur durch glückliche Umstände überlebte die Frau. Bereits als Kind zeigte Wichmann sadistische Züge. Im Keller des elterlichen Hauses hatte er ab ca. 1978 eine Abhöranlage installiert, um die Untermieter der Eltern belauschen zu können. Diese obsessive Kontrolle sowie Überwachung anderer Menschen sollte ein charakteristisches Merkmal seiner kriminellen Laufbahn werden.

Eskalation der Gewalt: 1965-1968

Nach dem misslungenen Mordversuch an der Untermieterin eskalierte Wichmanns Brutalität kontinuierlich. 1966, im Alter von nur 16 Jahren, überfiel und belästigte er eine Radfahrerin sexuell. Ein Jahr später, im Jahr 1967, zielte er mit einem Gewehr auf Polizisten und bedrohte sie. Diese Tat brachte ihm am 26. April 1968 eine Verurteilung zu einem Jahr Jugendhaft ein, die er in der JVA Hameln absitzen musste.

Diese Taten können ihm sicher zugeordnet werden, aber es gibt einige weitere Verdachtsfälle, die eindeutig seine Handschrift tragen.

Kurt-Werner Wichmann als Jugendlicher: Der Beginn seiner Tatserie in Lüneburg und Umgebung: Ilse Gerkens, Ulrike Burmester, Antje Schilling
Kurt-Werner Wichmann im August 1968 mit einem Kleinkalibergewehr

Ilse Gerkens: Hinterrücks ermordet

Doch bereits vor seiner Verurteilung soll Kurt-Werner Wichmann im Waldgebiet in/um Lüneburg mindestens einen Mord begangen haben: Am 11. April 1968 wird die 38-jährige Ilse Gerkens im Lüneburger Tiergarten beim Fahrradfahren mit vier Schüssen aus einem Kleinkalibergewehr getötet. Zeugen sahen drei Jugendliche flüchten, einer davon wird wie Wichmann beschrieben. Bei ihm wurden später Kleinkalibergewehre sowie Zeitungsausschnitte über den Mord gefunden, doch es kam nie zu einer Anklage.

Mord an Antje Stelter und zwei weitere Morde

Bereits zwei Jahre vor dem Mord an Ilse Gerkens ereignete sich 20 km von Lüneburg, in Häcklingen ein weiterer Mord, für den Kurt-Werner Wichmann als Täter in Betracht käme: Am 17. September 1965 fanden Pilzsammler im dichten Unterholz eines Waldes nahe des Friedhofs die Leiche der sechsjährigen Antje Stelter. Das Mädchen war zuvor vom Spielplatz einem Mann gefolgt, der sich als „Onkel Heiner“ vorgestellt hatte. Der Zeitpunkt passt perfekt in die Entwicklung zum Gewalttäter: Nur ein Jahr nach seinem Mordversuch an der Untermieterin hatte er als 15-Jähriger möglicherweise bereits das erste Mal gemordet. Die geografische Nähe zu Lüneburg und das spezifische Tatmuster – ein Sexualverbrechen an einer wehrlosen Person und die Ablage im Wald entsprechen seinem Modus Operandi.

Zwei weitere Cold Cases geben der Polizei bis heute Rätsel auf: am 6. Juli 1967 wird Hinnerina Feldt (38) in einem Wald bei Maschen vergewaltigt und ermordet aufgefunden. Im September 1967 wird dann die 60-jährige Hildegard Trost im „Liebesgrund“ in Lüneburg vergewaltigt und ermordet. Beide Verbrechen sind bis heute ungeklärt.

Der Mord an Ulrike Burmester

Ein Jahr nach dem Mord an Ilse Gerkens ereignete sich eine weitere Tat, die heute hochwahrscheinlich Kurt-Werner Wichmann zugeordnet werden kann: Am 14. Mai 1969 radelte die 14-jährige Schülerin Ulrike Burmester aus dem Lüneburger Vorort Adendorf zur Nachhilfe nach Lüneburg. Kurz vor 20 Uhr fuhr sie mit dem geliehenen Fahrrad einer Nachbarin zur Mathematik-Nachhilfe.

Ihr Weg führte durch das Waldgebiet „Hühnerholz“, und obwohl es bereits dunkel war, fuhr sie ohne Licht, da dieses nicht funktionierte. Um 21:40 Uhr brach sie zur Rückkehr nach Hause auf. Auf dem Rückweg muss sie ihrem Mörder begegnet sein. Ihr Weg führte damals an der Wohnung von Kurt-Werner Wichmann vorbei, die sich im Grünen Weg befand. Erst neun Tage später, am 23. Mai 1969, wurde die Leiche von Ulrike Burmester an der Elbe bei Drage gefunden.

Der Zustand der Leiche und ihrer Kleidung ließ ein Gewaltverbrechen vermuten, ihre Unterwäsche fehlte. Für eine Sexualstraftat finden sich dennoch keine Anzeichen. Um den Bauch war der Kantstein einer Baustelle gebunden. Besonders brisant: Im Seil war ein Faden eingewebt, den man im Hochleitungsbau verwendete, um diese Kabel in die Höhe zu ziehen. Wichmanns Vater hatte bis drei Jahre vor der Tat 32 Jahre bei dem lokalen Stromanbieter als Freileitungsmonteur gearbeitet und damit Zugang zu diesen speziellen Seilen.

Die Verbindung zwischen Täter und Opfer

Eine Verbindung zu Ulrike Burmester ergibt sich über ihre Familie: Der spätere Friedhofsgärtner Kurt-Werner Wichmann hatte als 19-jähriger schon Kontakt zur Friedhofsverwaltung, während Ulrikes Vater für die Friedhofsverwaltung arbeitete. Es ist also durchaus möglich, dass die Männer sich kannten und die 14-jährige Ulrike Wichmann über ihren Vater kennengelernt hatte. Dies würde erklären, warum sie arglos war, wenn er sie auf ihrem Weg angesprochen haben sollte.

Allerdings saß Wichmann zur Tatzeit offiziell im Jugendarrest in der JVA Hameln. In den Akten ist aber vermerkt, dass die Häftlinge oft Freigang und Hafturlaub hatten. Die Akten bei der Staatsanwaltschaft Lüneburg sind jedoch aufgrund eines Wasserschadens nicht mehr vorhanden. Bekannt ist allerdings, dass die regelmäßigen Freigänge nachweislich für Besuche bei seinen Eltern in Lüneburg genutzt wurden.

Ulrike Burmester ist am Himmelfahrtswochenende verschwunden, an diesen langen Wochenenden wurde häufig Hafturlaub gewährt.

Spurenbände und Asservate vernichtet

Eine weitere Aufklärung dieses Mordes ist wegen des Wasserschadens und der Tatsache, dass alle Asservate 1989 auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Lüneburg vernichtet wurden heute nicht mehr möglich.

Aber alle Indizien weisen äußerst deutlich auf Kurt-Werner Wichmann, auch weil er ebenfalls über diesen Fall Zeitungsausschnitte sammelte.

Haftzeit und weitere Mordserie?

Die Zeit von 1971 und 1975 verbrachte Wichmann zumindest zeitweise in der Jugendanstalt Hameln, unterbrochen jedoch von regelmäßigen Freigängen. In diesen Jahren ereignen sich die Münsterland-Morde. Ist er während seiner Freigänge erneut zum Mörder geworden?

Das Muster seiner Taten wird erkennbar

Bereits in der Jugend von Kurt-Werner Wichmann (1964-1969) zeigten sich alle charakteristischen Merkmale seiner späteren Verbrechen:

  • Präferenz für wehrlose Opfer: Mädchen und Frauen
  • Sexuelle Komponente: Entkleidung der Opfer, möglicherweise teils sexueller Missbrauch oder Vergewaltigung
  • Erwürgen als bevorzugte Tötungsmethode: Begonnen 1964 beim Mordversuch an der Untermieterin, auch Erdrosseln oder Messer
  • Verwendung von Schusswaffen: Kleinkalibergewehre wie bei Ilse Gerkens oder Handfeuerwaffen (u.a. Göhrde-Morde, Birgit Meier)
  • Ritualisierung der Taten: Sammeln von Zeitungsausschnitte oder Aufzeichnung Aktenzeichen XY, spezielle Körperpositionierung
  • Geografische Konzentration: Lüneburg und unmittelbares Umland
  • Ausnutzung seiner Ortskenntnis: Waldgebiete als Tatorte

Sie können Hinweise zu Taten in Lüneburg oder Umgebung geben? Hier geht es in unser Hinweis-Portal.

Besonders relevant sind für uns Angaben,

  • ob/wann/wie häufig es Freigänge in der Jugendanstalt Hameln gab und
  • ob Kurt-Werner Wichmann am Himmelfahrtswochenende 1969 Freigang hatte.
Nach oben scrollen