Region Hannover/Osnabrück

War Wichmann auch in der Region um Hannover aktiv?

In den Jahren 1985, 1988 sowie 1990 wird die niedersächsische Region um Hannover zum Schauplatz von mindestens drei Morden an jungen Frauen, die bis heute unaufgeklärt sind. Es gibt einige Hinweise, dass hierfür Kurt-Werner Wichmann verantwortlich sein könnte.

Ulla Lilienthal († 23.01.1985)

Die 15-jährige Berufsschülerin Ulla Lilienthal aus Isernhagen bei Großburgwedel verschwand am 23. Januar 1985 nach dem Besuch bei einer Freundin in der nahegelegenen Jugendeinrichtung in Großburgwedel. Sie wurde zuletzt am frühen Abend in der Fußgängerzone von Großburgwedel gesehen, möglicherweise steigt sie dort in ein Auto.

Am 2. Februar 1985 finden Spaziergänger in einem Waldstück westlich des Parkplatzes Sprillgehege die Kleidung von Ulla Lilienthal, darunter ihr markantes rotes Sweatshirt mit der Aufschrift „Boston College“. Die Geldbörse, ihre Monatskarte, ihr Schlüssel und Schmuck bleiben aber bis heute verschwunden. Acht Tage später, am 10. Februar 1985 gegen 16:45 Uhr, wurde dann ihre unbekleidete Leiche nur etwa 200 Meter (!) vom Fundort ihrer Kleidung entfernt gefunden. Das Mädchen war mit einem roten Netzstrumpf erdrosselt worden.

Ute Werner († 10.08.1988)

Die 22-jährige Orthopädietechnikerin Ute Werner aus Bad Rothenfelde war häufig abends als Anhalterin zwischen ihrem Arbeitsplatz in Osnabrück und ihrem Wohnort unterwegs.

Am 10. August 1988 stieg sie nach Feierabend am Osnabrücker Rosenplatz in ein Fahrzeug – sie kam nie zu Hause an. Zwölf Tage später, am 22. August 1988, wurde ihr Leichnam in einem Waldstück südlich von Osnabrück, nahe des Franziskus-Hospitals am Harderberg gefunden. Sie war vergewaltigt und durch mehrere Messerstiche getötet worden.

Einige Monate vor dem Mord ereignete sich im März 1988 eine Vergewaltigung, nur wenige hundert Meter vom späteren Fundort der Leiche entfernt. Auch diese Frau stieg am Osnabrücker Rosenplatz (derselbe Ort wie später Ute Werner) in das Auto eines unbekannten Mannes. Im Waldgebiet am Harderberg bedrohte er sie mit einem Messer und vergewaltigte sie. Sie zeigte die Tat zunächst nicht an, konnte aber später eine Personenbeschreibung abgeben:

  • etwa 35 Jahre alt (Mitte 30)
  • kräftige, aber nicht dicke Statur
  • blonde, nach hinten gekämmte Haare mit Geheimratsecken
  • Hemd mit schmalen grün-weißen Streifen und hell beige Hose
  • süddeutsche Sprachfärbung
  • Fahrzeug: roter Kleinwagen, ähnlich einem Opel Kadett

In „Aktenzeichen XY … ungelöstbittet die Polizei am 15. Mai 2019 um Hinweise und zeigt dazu den gesuchten Mann mit diesem Hemd:

Aktenzeichen XY ... ungelöst: Fahrer des Autos mit einem Hemd mit schmalen grün-weißen Streifen im Mordfall Ute Werner

Die Polizei geht heute von einem Zusammenhang zwischen dem Mord an Ute Werner und der früheren Vergewaltigung aus.

Ulrike Herrmann († 23.10.1990)

Die 26-jährige Biologiestudentin Ulrike Herrmann aus Kiel kehrt am 23. Oktober 1990 von einer mehrmonatigen Rucksackreise durch Kanada und die USA zurück. Nach der Landung in Frankfurt am Main wollte sie per Anhalter nach Hamburg fahren. Sie wurde an verschiedenen Autobahnraststätten entlang der A5/A7 gesehen, zuletzt an der Raststätte Allertal Ost bei Hannover.

Am 10. Oktober 1991 – fast ein Jahr nach ihrem Verschwinden – finden Pilzsammler im Landkreis Gifhorn skelettierte Überreste. Bereits am 4. Januar 1991 stießen Jagdteilnehmer zwischen Meinersen und Leiferde (südlich der B 188) auf ihre Ausrüstungsgegenstände, Zelt, Schlafsack und Rucksack. Die Kleidung war im Juni 1991 in einem Waldstück bei Wesendorf gefunden worden, ca. 16 km vom späteren Leichenfundort nahe Räderloh bei Steinhorst entfernt.

Fundorte im Mordfall Ulrike Herrmann im Dreieck Bremen Osnabrück Hannover
Fundorte im Mordfall Ulrike Herrmann (Grafik: ZDF/Google Earth)

Verschwunden blieb ihr Nikon-Fernglas 7×20 (Seriennummer 253998), ihr Personalausweis und Reisepass sowie ihre braunen Wanderstiefel in der Größe 39/40 mit auffälligen roten Schnürbändern.

Verbindung zu Kurt-Werner Wichmann

Kurt-Werner Wichmann, zur Tatzeit zwischen 35 und 40 Jahre alt, war bekannt für seine extreme Mobilität – er fuhr jährlich bis zu 30.000 km mit mehr als 20 verschiedenen Fahrzeugen und kannte die Region um Hannover und Osnabrück. Die Zeit von 1985 bis 1990 zählt zu seiner wohl aktivsten Zeit.

Hinweisgeberin berichtet von Begegnung im Wald

Die Hinweisgeberin war damals (im Jahr 1985) 14 Jahre alt. Obwohl sie abends nicht mehr rausgehen durfte, geht sie in der Dämmerung auf ihrer 4 km langen Joggingstrecke eine Runde laufen. Als sie aus dem Dorf lief, fielen ihr die Scheinwerfer eines Autos auf, dieses folgte ihr mit gleichbleibendem Abstand. Sie wollte erst wissen, wer ihr Verfolger ist, bekam es aber mit der Angst zu tun und bog daher in einen Waldweg parallel zu einem Wald ein. Dieser Weg ist bis heute mit Gras bewachsen und ist eher eine Strecke für landwirtschaftliche Fahrzeuge. Nach ca. 70 m lief sie in den Wald und legte sich flach auf den Boden. Das Auto folgte ihr und hielt in ihrer Höhe vor dem Wald an. Ein Mann stieg aus und leuchtete mit einer Taschenlampe in den Wald: „Junge, komm raus oder ich reiße dir mit dem Stemmeisen den Arsch auf“. Auf Fotos von damals – für sie war es nicht verwunderlich – könnte sie mit ihren kurzen Haaren für einen Jungen gehalten werden.

Der Mann ging parallel, immer in der Nähe seines Autos parallel zum Waldrand auf und ab und forderte sie auf, aus dem Wald zu kommen, „sonst hole ich dich“. Schließlich stieg er ein und fuhr weg. Als sie jetzt eine Dokumentation über Kurt-Werner Wichmann im Fernsehen sieht, reagiert ihr Körper mit einer Panikattacke, sie ist sicher, dass der Mann von damals Kurt-Werner Wichmann ist.

Im Umkreis von zwei Kilometern um dieses Waldstück herum werden zwei Mädchen ermordet, eine davon ist im selben Jahr Ulla Lilienthal.

Kurt-Werner Wichmann mit Schäferhund Rex in einem Hemd mit grün-weißen Streifen
Kurt-Werner Wichmann (das Foto ist ohne Vorgaben mithilfe von KI koloriert worden)

Kurt-Werner Wichmann war zur Tatzeit 38 Jahre alt und hatte mehrere Jahre in Süddeutschland gelebt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass er für die Taten sein Aussehen veränderte, einmal trug er wahrscheinlich sogar eine dunkelhaarige Perücke.

Die typische Vorgehensweise von Kurt-Werner Wichmann passt genau zu den drei ungelösten Fällen:

  • Opferauswahl: bevorzugt junge Frauen, oft Anhalterinnen
  • Tatbegehung: Tötung durch Erdrosseln oder durch Messerstiche – teilweise nach sexueller Gewalt
  • Tatorte: abgelegene Waldgebiete in ganz Deutschland
  • Sammlerverhalten: behielt persönliche Gegenstände seiner Opfer – bevorzugt Ausweisdokumente und Schuhe
  • Mobilität: nutzte verschiedene Fahrzeuge für weite Strecken

Dass er in diesem Waldstück gesehen wurde, lässt keine vernünftigen Zweifel daran aufkommen, dass er in der Gegend aktiv war. Nicht zuletzt ist zu berücksichtigen, dass alle drei Opfer kurzhaarig waren – wie damals auch die Hinweisgeberin. Ulla Lilienthal war in demselben Alter und dem äußeren Anschein nach ein ähnlicher Typ.

Aktionsradius von Kurt-Werner Wichmann

Wichmann lebte in Lüneburg-Adendorf, alle drei Tatorte in der Region Hannover/Osnabrück waren für ihn gut erreichbar:

  • von Lüneburg nach Großburgwedel: etwa 80 km
  • von Lüneburg nach Osnabrück: etwa 180 km
  • von Lüneburg nach Gifhorn: etwa 50 km

Seine extreme Mobilität sowie die Tatsache, dass er regelmäßig durch ganz Niedersachsen fuhr und vor allem das Antreffen in der Nähe des Tatorts mit der Hinweisgeberin, macht es äußerst wahrscheinlich, dass Wichmann alle drei Tatorte kannte.

Gemeinsame Tatmerkmale in den drei Mordfällen

Alle drei Fälle weisen bezeichnende Gemeinsamkeiten auf:

  • Opferprofil: junge Frauen, alle mit kürzeren Haaren
  • Tatbegehung: Sexualdelikte mit anschließender Tötung
  • Tatörtlichkeit: abgelegene Waldgebiete
  • Mobilität: zumindest zwei Frauen waren per Anhalter unterwegs
  • Sexuelle Motivation: der Täter entkleidete seine Opfer
  • Fehlen persönlicher Gegenstände: der Täter behielt Gegenstände, wahrscheinlich als Trophäen der Tat
Nach oben scrollen