Münsterland-Morde

Die Münsterland-Morde, auch bekannt als „Anhalterinnen-Morde“, ist eine grausame Mordserie, die zwischen 1971 und 1974 das Münsterland und die Grafschaft Bentheim erschütterte. Vier junge Frauen sind dem noch unbekannten Täter zum Opfer gefallen, dessen Identität bis jetzt ungeklärt ist. Neue Ermittlungen begründen den Verdacht gegen den verstorbenen Kurt-Werner Wichmann, der vor allem auf Parallelen zu seinen späteren, auch bewiesenen Verbrechen beruht.

Münsterland-Morde: War Kurt-Werner Wichmann der Täter dieser Mordserie, möglicherweise mit seinem Bruder als Mittäter?

Die vier ermordeten Frauen der Münsterland-Mordserie

Die vier Opfer und ihre Schicksale

Edeltraud van Boxel (23) war die erste bekannte Tote der Mordserie. Sie war im siebten Monat schwanger, arbeitete jedoch als Prostituierte auf dem Straßenstrich der Industriestraße in Münster. Am Abend des 21.11.1971 stieg sie um 20:30 Uhr in einen weißen VW Käfer mit einer großen Heckscheibe ein, dessen Kennzeichen den Buchstaben „F“ und die Zahl „8“ enthielt. Zeuginnen beobachteten, wie das Fahrzeug nach ca. 20 Minuten mit hoher Geschwindigkeit davonfuhr, ohne sie zurückzubringen. War sie da schon tot oder nur betäubt oder bewusstlos?

Gegen 21:15 Uhr überholte ein VW Käfer mit hoher Geschwindigkeit Zeugen auf der Bundesstraße 54 zwischen Nienberge und Altenberge. Die Insassen sahen die leblose Gestalt einer Frau gegen die Beifahrerscheibe gelehnt. Um 23:40 Uhr fand ein Landwirt van Boxels Leiche auf einem Feldweg – sie war teilweise entkleidet, auf den Bauch gelegt und erwürgt worden. Brandspuren an ihren Knöcheln stammten von der Heizung eines VW Käfers und bestätigten den Transport durch den Entführer, der ihre Leiche nicht aufwendig versteckt hatte.

Barbara Storm, 20 Jahre alt, verließ am 15. Mai 1972 die Diskothek „Tenne“ in Rheine mit einem ca. 1,80 bis 1,90 Meter großen Mann mit kurzen dunkelblonden Haaren. Zwei Tage später wurde ihre Leiche in einem Wald bei Schöppingen gefunden, erwürgt, aber ohne Anzeichen sexueller Gewalt, jedoch mit Kampfspuren. Persönliche Gegenstände wie Schuhe, Jacke und Handtasche fehlten und wurden nie gefunden.

Marlies Hemmers (18) verschwand am 12. Oktober 1973 aus Nordhorn. Ihre Leiche wurde am 22. Dezember 1973 im Merfelder Bruch bei Dülmen gefunden. Wie die anderen Tatopfer war auch sie erwürgt worden, ohne Hinweise auf eine Vergewaltigung.

Erika Kunze, 24, aus Nordhorn war das letzte bekannte Opfer dieser Mordserie. Sie verschwand am 22. Oktober 1974 und wurde erwürgt am 29. Oktober 1974 in einem Wald bei Samerott aufgefunden.

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Der unbekannte Täter und sein Muster

Sämtliche Opfer waren junge, zierliche dunkelhaarige Frauen in ihren Zwanzigern, die vor ihrem Verschwinden per Anhalter gefahren waren. Sie wurden mutmaßlich sofort nach der Entführung stranguliert, aber nicht am Entführungsort. Die Leichen wurden teilweise entblößt in unnatürlichen, rituell anmutenden Körperpositionen im Wald arrangiert, persönliche Gegenstände gestohlen und nur ein einziger Gegenstand wurde jemals gefunden, teils verbrannt und weit vom Tatort entfernt.

Tatverdacht gegen Kurt-Werner Wichmann

Kurt-Werner Wichmann verbüßte mit Unterbrechungen die Haftstrafe wegen Vergewaltigung in der Justizvollzugsanstalt Wolfenbüttel vom 22.08.1973 bis zum 03.03.1975. Doch der Mord Erika Kunze ereignete sich während seiner Haftzeit und hier wird es brisant: Wichmann hatte regelmäßig Freigänge in der JVA Wolfenbüttel sowie auch mindestens einen Hafturlaub vom 13.11.1974 bis zum 04.12.1974.

Die Haftunterlagen existieren nicht mehr, somit bleibt unklar, wann er Freigang hatte. Bekannt ist aber, dass er während der Haftzeit seine Freundin Helga H. besuchte, die er über eine Kontaktanzeige während der Haftzeit kennengelernt hatte.

Besonders auffällig sind die Parallelen zwischen dem Täterprofil der Münsterland-Morde und Wichmanns bekanntem Modus Operandi:

  • Fahrzeugtyp: Die Familie Wichmann hatte einen weißen VW Käfer – genau wie der, der am Tatort gesehen wurde.
  • Täterbeschreibung: Barbara Storm verließ die Diskothek mit einem 1,80-1,90 Meter großen Mann mit kurzen dunkelblonden Haaren – eine Beschreibung, die auf den jungen Wichmann passt.
  • Opferprofil: Junge, dunkelhaarige Frauen, oft Anhalterinnen – exakt das Beuteschema, das Wichmann sein Leben lang beibehielt.
  • Keine sexuelle Gewalt: Obwohl Wichmann wegen Vergewaltigung inhaftiert war, zeigten die Opfer keine Anzeichen sexueller Gewalt – ein Muster, das sich auch bei späteren Wichmann-Verdachtsfällen wiederfindet.
  • Besonderheiten: Den Opfern werden jeweils Handtaschen mit Ausweisdokumenten entwendet und im Fall von Marlies Hemmer in der Nähe des Tatorts zurückgelassen. Dies ist ein Markenzeichen von Kurt-Werner Wichmann. Auch im Fall Birgit Meier entwendet er den Personalausweis, warf diesen dann in einen Postbriefkasten.
  • Handtasche: Auf dem Grundstück von Wichmann werden mehrere Damenhandtaschen vergraben aufgefunden – eine davon soll der von Edeltraud van Boxel damals genutzten Handtasche ähneln, von der es allerdings leider nur eine Zeichnung gibt.

Ermittlungsstand und DNA-Spuren

Die Münsterland-Morde sind bis heute ungelöst. In den 1990er Jahren fand man DNA unter den Fingernägeln von Barbara Storm – allerdings konnte diese bislang keinem Verdächtigen zugeordnet werden, falls es sich überhaupt um Täter-DNA handelt. Im Jahr 2015 wurde dieser Cold Case wiedereröffnet, und ein Grab eines inzwischen verstorbenen Verdächtigen wurde geöffnet, der DNA-Vergleich verlief allerdings negativ. Wurde die DNA-Spur aber jemals mit Wichmann abgeglichen?

Die Polizei suchte damals intensiv nach dem Täter: Nach van Boxels Mord fahndete man nach weißen VW Käfern mit „F“-Kennzeichen aus den Kreisen Steinfurt und Warendorf, nach Storms Tod wurde dann ein Phantombild erstellt und die Belohnung von 5.000 DM ausgesetzt. Trotz umfangreicher Ermittlungen blieb aber der Münsterland-Mörder oder „Anhalterinnen-Mörder“ unentdeckt.

Die Polizei geht ganz sicher davon aus, dass alle Morde der Münsterland-Serie von demselben Täter (oder Tätern) begangen wurden. Die Ermittler sehen zudem eine Verbindung zur Rhein-Neckar-Serie.

Warum Wichmann nicht offiziell verdächtigt wird

Obwohl die Parallelen frappierend sind, wird Wichmann nicht offiziell als Verdächtiger der Münsterland-Morde geführt, weshalb seine DNA möglicherweise auch nicht abgeglichen wurde.

Die Gründe sind vielschichtig:

  • Haftzeit: Kurt-Werner Wichmann saß während des Mordes an Erika Kunze in Haft, hatte nachweislich allerdings Freigänge. Die genauen Daten seiner Beurlaubungen sind nicht vollständig dokumentiert.
  • Fehlende DNA-Vergleiche: Die 1990er Jahre gefundene DNA von Barbara Storm wurde vermutlich nie mit Wichmanns genetischem Profil abgeglichen, da er zu diesem Zeitpunkt bereits tot war.
  • Regionale Zuständigkeiten: Die Münsterland-Morde fielen allesamt in die Zuständigkeit der Polizei Münster, Nordhorn und Osnabrück, während Wichmann-Ermittlungen von der Polizei Lüneburg geführt werden. Seine DNA ist außerdem nicht in der DAD gespeichert.

Familie Wichmann (ohne Kurt-Werner) mit einem weißen VW-Käfer rechts im Bild
Familie Wichmann (ohne Kurt-Werner) mit einem weißen VW Käfer rechts im Bild

Neue Ermittlungsansätze und offene Fragen

Die Wiederaufnahme der Ermittlungen könnte neue Perspektiven auf die Münsterland-Morde eröffnen. Die Polizei überprüft Verbindungen zu über 230 Verbrechen, und ein Bewegungsprofil Wichmanns wurde erstellt. Dabei stellen sich entscheidende Fragen:

  • Freigänge: An welchen Tagen hatte Wichmann im Jahr 1974 aus der Haft Freigang? Decken sich diese Daten mit den Mordterminen?
  • DNA-Abgleich: Kann die unter den Fingernägeln aufgefundene DNA mit Wichmanns Profil verglichen werden? Gibt es neue Spuren?
  • Fahrzeugnachweis: Lässt sich dokumentieren, dass Wichmann tatsächlich einen weißen VW Käfer mit „F“-Kennzeichen fuhr oder sich ein falsches Nummernschild organisierte?
  • Mittäter-Theorie: Hatte Kurt-Werner Wichmann Komplizen, die ihm bei den Morden oder der Ablage der Leichen halfen?

Die Münsterland-Morde sind als Akte Münsterlandmörder verfilmt worden (© Newfilm)

Die Unschuldsvermutung und ihre Grenzen

Wie bei allen Wichmann-Verdachtsfällen gilt auch hier die Unschuldsvermutung. Da er 1993 durch Suizid starb, kann seine mögliche Schuld an den Münsterland-Morden nie vor Gericht bewiesen werden. Selbst wenn DNA-Spuren oder andere Beweise eine Verbindung bestätigen würden, bliebe Wichmann rechtlich formal unschuldig.

Dennoch könnten neue Ermittlungserkenntnisse den Angehörigen der vier Opfer nach fast 50 Jahren endlich Antworten geben. Die Familien von Edeltraud van Boxel, Barbara Storm, Marlies Hemmers und Erika Kunze warten seit Jahrzehnten auf Aufklärung.

Ein möglicher Wendepunkt

Die Münsterland-Morde könnten sich als die früheste dokumentierte Mordserie von Kurt-Werner Wichmann erweisen. Falls sich dieser Verdacht erhärtet, zeichnet dies das Bild eines Serienmörders, dessen Verbrechen bereits 1971 begannen – 18 Jahre vor den Göhrde-Morden und kurz nach seiner ersten Verurteilung zu einer Haftstrafe.

Verdacht ohne Gewissheit

Die Münsterland-Morde von 1971-1974 weisen verblüffende Parallelen zu Kurt-Werner Wichmanns späteren und bewiesenen Verbrechen auf. Zeitliche Überschneidungen, Täterprofile, Modus Operandi sowie der verdächtige weiße VW Käfer stützen den möglichen Tatverdacht.

Die Münsterland-Morde bleiben vorerst ungelöst, doch die Wichmann-Verbindung eröffnet neue Hoffnung auf Aufklärung. In einer Zeit, in der moderne DNA-Technologie jahrzehntealte Cold Cases löst, könnte auch dieser Fall noch eine überraschende Wendung nehmen. Die zuständigen Staatsanwaltschaften sind in der Pflicht, diese Überprüfung der DNA-Spuren zu beauftragen, sofern noch nicht erfolgt.

Denn es besteht die realistische Möglichkeit, auch nach dieser langen Zeit noch einen Täter zu überführen oder eben auszuschließen.


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